Achtsame Begleitung

„Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.“
– Thich Nhat Hanh

Dieses Zitat beschreibt meiner Erfahrung und meinem Empfinden nach sehr genau und schön, wofür Therapie und Beratung gedacht ist. Und gleichzeitig was daran wirkungsvoll ist.
Den Raum geschenkt zu bekommen, in dem das sein darf, was gerade zu mir gehört, und damit wohlwollend und respektvoll gesehen werden zu dürfen, ist ein wunder-volles Geschenk.

Das unterstützt in so vieler Hinsicht. Beim Sortieren, beim Verstehen, beim Annehmen, beim Loslassen, beim Umwandeln und Integrieren…

Für all das braucht es natürlich erstmal das Wahrnehmen dessen, was sortiert, verstanden, angenommen, losgelassen oder umgewandelt werden will und kann. Die Achtsamkeit.
Ob für mich allein oder in wohlwollender Begleitung.

Wunschfragen-Spielfreude

Wenn ich drei Wünsche frei hätte… Jetzt. Ohne Erklärung oder Begründung. Ohne Begrenzungen oder Zensuren jeglicher Art. Also.. ganz egal ob nach dem Verstand möglich oder nicht, existent oder nicht.
Einfach so. Drei gänzlich freie Wünsche.

Welche Wünsche wären das?

Und.. mal angenommen, diese drei Wünsche wurden mir erfüllt.
Woran merke ich das? Wie fühle ich mich? Was ist anders? Woran erkennt es mein Umfeld? ..die Menschen, die mir am nächsten sind?

Dieses Fragen- und Vorstellungsspiel habe ich als Kind geliebt. Ich habe es immer und immer wieder durchgespielt. Mal waren es die gleichen Wünsche, mal ganz andere.
Irgendwann habe ich allerdings aufgehört, es zu spielen. Nach und nach.

Und nun, viele Jahre später, bin ich zutiefst dankbar dafür, dass es in mir in den letzten Jahren wieder präsenter wurde und mir regelmäßig in den Sinn kommt. Ich spiele es wieder. So oft es mir einfällt. Und ich habe eine Riesenfreude damit.. Meine kindlichen Anteile haben eine Riesenfreude daran und damit.

Und genau das wünsche ich uns allen.
Zum einen einfach weil es sich gut anfühlt und gut tut. Was allein schon ausreicht.
Doch dazu ist es auch vernünftig. Ja, genau. Es ist eine sehr hilfreiche Übung, die eigenen Begrenzungen im Gedachten zu erweitern oder auch mal zu sprengen. Es hilft, den Fokus vom Problemdenken abzuwenden, schafft (mindestens) einen wunderbaren Ausgleich dafür.
Was wiederum auch vielfältige positive Nebenwirkungen hat. Öfter Freude -> mehr Leichtigkeit -> positivere Erwartungshaltung im Miteinander -> positivere Reaktionen des Umfeldes… Um nur einen der mehreren Kreisläufe zu nennen.

Somit.. Auf mehr Wunschfragen-Spielfreude.

Eine meiner Lieblingsgeschichten

Heute teile ich eine meiner Lieblingsgeschichten mit Euch. Aus „Komm ich erzähl dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay.
Er ist einer meiner liebsten Autoren und Therapeuten.
Inspirierend und berührend.

Der wahre Wert des Rings

Wir hatten darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Anerkennung und Wertschätzung von außen zu bekommen. Jorge hatte mir Maslows Theorie der hierarchisch angeordneten Bedürfnisse erklärt.
Wir alle gründen unsere Selbsteinschätzung darauf, wie sehr wir von anderen gemocht und respektiert werden. An diesem Tag hatte ich mich darüber beklagt, weder von meinen Eltern richtig für voll genommen zu werden, noch als der beste Kumpel meiner Freunde zu gelten und auch auf der Arbeit nicht die rechte Anerkennung zu bekommen.

„Es gibt da eine alte Geschichte“, sagte der Dicke und reichte mir den Mate, damit ich ihn aufgoß, „die handelt von einem jungen mann, der einen Weisen um Hilfe ersucht. Dein Problem scheint mir dem seinen zu ähneln.“

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„Meister, ich bin gekommen, weil ich mich so wertlos fühle, dass ich überhaupt nichts mit mir anzufangen weiß. Man sagt, ich sei ein Nichtsnutz, was ich anstelle, mache ich falsch, ich sei ungeschickt und dumm dazu. Meister, wie kann ich ein besserer Mensch werden? Was kann ich tun, damit die Leute eine höhere Meinung von mir haben?“
Ohne ihn anzusehen, sagte der Meister: „Es tut mir sehr leid, mein Junge, aber ich kann dir nicht helfen, weil ich zuerst mein eigenes Problem lösen muß. Vielleicht danach…“
Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: „Wenn du zuerst mir helfen würdest, könnte ich meine Sache schneller zu Ende bringen und mich im Anschluß eventuell deines Problems annehmen.“
„S… sehr gerne, Meister“, stotterte der junge Mann und spürte, wie er wieder einmal zurückgesetzt und seine Bedürfnisse hintangestellt wurden.
„Also gut“, fuhr der Meister fort. Er zog einen Ring vom kleinen Finger seiner linken Hand, gab ihn dem Jungen und sagte: „Nimm das Pferd, das draußen bereitsteht, und reite zum Markt. Ich muß diesen Ring verkaufen, weil ich eine Schuld zu begleichen habe. Du mußt unbedingt den bestmöglichen Preis dafür erzielen, und verkauf ihn auf keinen Fall für weniger als ein Goldstück. Geh und kehr so rasch wie möglich mit dem Goldstück zurück.“
Der Junge nahm den Ring und machte sich auf den Weg. Kaum auf dem Markt angekommen, pries er ihn den Händlern an, die ihn mit einigem Interesse begutachteten, bis der Junge den verlangten Preis nannte.
Als er das Goldstück ins Spiel brachte, lachten einige, die anderen wandten sich gleich ab, und nur ein einziger alter Mann war höflich genug, ihm zu erklären, daß ein Goldstück viel zu wertvoll sei, um es gegen einen Ring einzutauschen. Entgegenkommend bot ihm jemand ein Silberstück an, dazu einen Kupferbecher, aber der Junge hatte die Anweisung, nicht weniger als ein Goldstück zu akzeptieren, und lehnte das Angebot ab.
Nachdem er das Schmuckstück jedem einzelnen Marktbesucher gezeigt hatte, der seinen Weg kreuzte – und das waren nicht weniger als hundert -, stieg er, von seinem Mißerfolg vollkommen niedergeschlagen, auf sein Pferd und kehrte zurück.
Wie sehr wünschte sich der Junge, ein Goldstück zu besitzen, um es dem Meister zu überreichen und ihn von seinen Sorgen zu befreien, damit der ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte.
Er betrat das Zimmer.
„Meister“, sagte er, „es tut mir leid. Das, worum du mich gebeten hast, kann ich unmöglich leisten. Vielleicht hätte ich zwei oder drei Silberstücke dafür bekommen können, aber es ist mir nicht gelungen, jemanden über den wahren Wert des Ringes hinwegzutäuschen.“
„Was du sagst, ist sehr wichtig, mein junger Freund“, antwortete der Meister mit einem Lächeln. „Wir müssen zuerst den wahren Wert des Rings in Erfahrung bringen. Steig wieder auf dein Pferd und reite zum Schmuckhändler. Wer könnte den Wert des Rings besser einschätzen als er? Sag ihm, daß du den Ring verkaufen möchtest, und frag ihn, wieviel er dir dafür gibt. Aber was immer er dir auch dafür bietet: Du verkaufst ihn nicht. Kehr mit dem Ring hierher zurück.“
Und erneut machte sich der Junge auf den Weg.
Der Schmuckhändler untersuchte den Ring im Licht einer Öllampe, er besah ihn durch seine Lupe, wog ihn und sagte:
„Mein Junge, richte dem Meister aus, wenn er jetzt gleich verkaufen will, kann ich ihm nicht mehr als achtundfünfzig Goldstücke für seinen Ring geben.“
„Achtundfünfzig Goldstücke?“ rief der Junge aus.
„Ja“, antwortete der Schmuckhändler. „Ich weiß, daß man mit etwas Geduld sicherlich bis zu siebzig Goldstücke dafür bekommen kann, aber wenn es ein Notverkauf ist…“
Aufgewühlt eilte der Junge in das Haus des Meisters zurück und erzählte ihm, was geschehen war.

„Setz dich“, sagte der Meister, nachdem er ihn angehört hatte. „Du bist wie dieser Ring: ein Schmuckstück, kostbar und einzigartig. Und genau wie bei diesem Ring kann deinen wahren Wert nur ein Fachmann erkennen. Warum irrst du also durch dein leben und erwartest, daß jeder x-beliebige um deinen Wert weiß?“
Und noch während er dies sagte, streifte er sich den Ring wieder über den kleinen Finger der linken Hand.